Mittwoch, 13. Juli 2011

Jeder Tag ein Jahr

Abends höre ich Wintermusik, weil der Abend der Winter des Tages ist. Es ist dunkel, es wird kälter und irgendwie geht was zu Ende. So um kurz vor halb zwölf könnte man dann jeden Tag Weihnachten feiern für ein paar Minuten. Das sollte man ernst nehmen. Ich habe mir heute Hoffnung geschenkt und habe noch dazu ein Lächeln erhalten.

Jetzt sehne ich mich nach dem ersten Hahnenschrei um viertel fünf. Dann werde ich den Frühling begrüßen, irgendwann ein Osterfrühstück nehmen und dann dem Mai frönen. Vorher noch „Im Märzen der Bauer“.

Dienstag, 12. Juli 2011

Kneipentour

Der Januar war kalt. Als ich das Restaurante betrat, saßen schon zwei da, jeder allein an einem Tisch. Ich besetzte also den dritten Tisch und war auch allein. Die anderen beiden aßen Pizza. Der eine schnell die billigste, die es auf der Karte gab. Der andere mit einer Brille auf, damit er es genau sehen konnte, eine, die er nicht bestellt hatte, weil der Kellner ihn falsch verstanden hatte. Das Pech schien gering zu sein. Der Teig war der gleiche und der breite Rand wurde säuberlich entfernt und auf dem Teller zurück gelassen. Außerdem trank er Wasser. Er trank mehr Wasser als ich Wein. Und das war für mich gut so.

Der Kellner war nervös und viel zu schnell. Vorspeise und Hauptgang waren fast eins. Ich hatte keine Lust mehr. Ich hatte ja auch schon alles gegessen. Den Gegenwert von fast 20 € in 15 Minuten. Ich nahm den Wein in kleinen Schlücken und begann in meinem mitgebrachten Buch zu lesen. Ich tat es sehr langsam. Ich sah mich um. Der Fastsoschnellwieichesser wedelte die Rechnung verlangend mit einem Geldschein, der nicht zu seiner Sparsamkeit passte. Aber die Menge an Papier und Metall, die er zurück bekam, war dann auch unübersichtlich groß. Der Falschepizzaesser las auch. Sein Finger blieb aber auf der Seite kleben und sein Kopf neigte sich leicht wiegend in Richtung der Buchseite. Ich vermutete Sekundenschlaf. Dann schreckte der Kopf leicht hoch und der Finger rutschte weiter auf der Seite klebend nach unten. Das Papier seines Buches war unangenehm leuchtend weiß. Das Buch hatte viele Fotos und ein paar Zeichnungen. Ich vermutete eine Biografie oder Ähnliches.

Wir saßen so noch lange da. Der Kellner war verzweifelt, wir tranken unheimlich langsam unsere Getränke und wedelten nicht mit einem Geldschein. Mitten in der Nacht tauschten wir die Bücher. Ich schlief und er las.

Trockengelegte Wasserleiche

Ich habe keine Angst. Die Tage verrauschen, fallen in den Abgrund. Musik kommt von draußen, wird aufgefressen von meinen Gedanken, in Stücke gerissen und wieder neu zusammengesetzt. Wie lustige kleine Legosteine liegen sie jetzt übereinander, die Töne aus Streich-, Holz- und Blechblasinstrumenten auf einer viel zu bunten Grundplatte aus Rhythmussplittern. Langsam verblasst das Bild.

Der Tag wird runtergespült. Das Wasser aus dem Wasserhahn ist durchsichtig und glänzt silbern. Früher wurde mir mal erzählt, dass da kleine Tiere drin sein und dass ich es deswegen nicht trinken sollte. Ich habe mir dann kleine, druchsichtige Fische vorgestellt. Hätte ich diese Gedanken heute, würde ich an den Wasserhahn gehen und Fischsuppe essen – zum Frühstück und zum Abendbrot.

Der Krimi, den ich nicht schreiben will, fängt an. Es gibt eine Mordwaffe, die unter einer Decke in einem Auto liegt. Nur so halb versteckt. So versteckt, dass sie jemand finden soll. Echte Krimifans sollten jetzt also sofort anzweifeln, dass es sich um die Mordwaffe handelt. Was fällt mir noch ein. Eine schöne Kommissarin, die fragend da steht und die ganze Zeit eine Wasserflasche in der Hand hält. Schließlich soll man 1,5 Liter am Tag trinken. Irgendwann muss man das ja tun. Man muss immer trinken, damit man im Soll ist. Und wenn Wasser allein zu langweilig ist, gibt es – nein, nicht Fischwasser. Dann gibt es Apfelspritzer rein, oder Wasser mit Grünem Tee-Geschmack. Im besten Fall also ganz dünnen grünen Tee.

So, jetzt brauche ich den Krimi nicht mehr zu schreiben. Der Fernsehabend ist nämlich vorbei. Die Mordwaffe war übrigens die Mordwaffe. Die war mit ohne Absicht so schlecht versteckt. Wen interessiert das? Der Mörder hatte keine Zeit, da, als er die Mordwaffe versteckte, jemand sein Fahrrad stahl. Da musste er schnell folgen. Er konnte nicht folgen. Aber er konnte dann auch nicht mehr zurück. Da sich ein Pärchen neben dem Auto, dass er als Versteck für die Mordwaffe auserkoren hatte, vergnügte. Diese beiden Jungen fanden dann auch das Opfer. Es war eine trockengelegte Wasserleiche mit einer Einschusswunde am Unterkiefer und einer Austrittswunde am Hinterkopf.